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Ich und mein Bündel

Oh Mann, immer wieder diese Frage: »Wer bin ich? Vielleicht ein altes Weib. Oder ein Reisender, stets in Bewegung, erschöpft von der Last des großen Bündels auf meinem Rücken.« In ruhigen Momenten, wenn ich um Atemluft ringe, belasten solche Zweifel den Fluss meiner Gedanken. Meine Schultern sacken tiefer, die Last auf meinem Rücken scheint zu pochen, als hätte sie ein eigenes Herz. »Zeigt meine gebeugte Haltung eine skizzenhafte, flüchtige Qualität? Bin ich irgendwie gekrümmt, blass geworden unter der Schwere des Lebens oder dem Kampf des Alltags? Einen Fuß setze ich vor den anderen, Schritt für Schritt schleppe ich meine Last durch die Tage. Durch die Zeit.«

Meine inneren Augen suchen ein imaginäres Spiegelbild. Kein Spiegel, kein Schatten – nur die Leere meines Blicks, der ins Nichts geht. Vergeblich schaue ich mich herum. »Ich könnte doch jeder sein, der ein Bündel auf dem Rücken trägt. Eine schwere Last: Ist es Verantwortung? Ist es Leid? Oder vielleicht sogar Freude? In der Einfachheit meiner Erscheinung bin ich auf meine Essenz zurückgeworfen – ein Reisender, der sich mühsam durch die Zeit bewegt. Mit meinen Erfahrungen, meinen Sorgen, meinen Erinnerungen, die ich mit mir trage.« Hauruck! Eine ruckartige Bewegung, ein Reflex. Das Bündel schmiegt sich wieder an meinen Rücken, schwer, aber vertraut.

»Ach, hör doch auf, du Schattenlast, dich so heroisch darzustellen«, zischt der Klang der Freiheit, ein spöttisches Lachen, das durch meine Gedanken hallt. »Du sprichst, als wärst du ein tragischer Held, gefangen in einem vergessenen, verstaubten Roman«, seine Stimme ist sarkastisch, ich höre schon seine Finger, die Blätter durchblättern.

Arrogant rümpft er die Nase, kneift die Augen zusammen, als suche er die perfekte Stelle. Eine imaginäre Staubwolke erhebt sich, schiebt seinen Kopf zur Seite. Er klatscht mit den Händen, befreit sie vom unsichtbaren Staub. »Na bitte! Kapitel fünf: ‚Ich und meine Last.‘ Wer du bist? Na, ein altes Weib. Stur bist du, mit deinen Erinnerungen und dem ganzen Leiden, als wäre die ganze Welt über deinen Buckel getrampelt. Deine Last – ein Fundament? Oder doch ein Klotz, der dich in die Tiefe zieht?«

Ich glaub’s ja nicht: Das Ungeheuer ist wieder da! »Da meldest du dich ja wieder, du Ekelzeug. Du hast gut reden, du flüchtiger Klang. Leer, bedeutungslos, wie ein Blatt im Wind, das nie Wurzeln schlagen wird. Du bist ein schemenhafter Gedanke, der mir, anders als erwartet – Bamm! Bamm! – gegen den Schädel schlägt. Stimme der Versuchung bist du, alles hinzuschmeißen, aufzugeben. Aber nein, den Gefallen tue ich dir nicht.«

Mein Atem stockt, doch ich beiße die Zähne zusammen. Die Last drückt schwerer, fast triumphierend – aber ich weiche nicht. Ha! Nicht jetzt, nicht diesmal. Nie, sage ich mir. Dir, zeige ich dir.

Was bildest du dir ein, du Zweifelvexier? Phä! Nur Konturen, nur klare Kante. »Meine Gesichtslosigkeit schützt mich vor wiederholten Begegnungen. Am Rande meiner Beliebigkeit weigere ich mich dem völligen Stillstand.«

Nein, meine Tränen zeige ich dir nicht. Meine Stimme hebt sich, mit jedem Wort drücke ich die Wut tiefer in den Raum zwischen uns. »Hä, was verstehst du schon davon, du Klang der Freiheit? Die Last auf meinem Buckel ist der Beweis, dass ich noch lebe. Dass ich noch fühle. Dass ich noch bin.«

Ein heißer Knoten zieht sich in meinem Magen zusammen, während meine Wut weiter an Raum gewinnt. Sie pocht wie eine Trommel, die mich antreibt.

»Nichts davon verstehe ich, meine teure Heldin«, sagt er, sein Grinsen lässt seine Zähne glänzend schimmern. Seine Reverenz scheint elegant zum Tanz zu bieten, ein Walzerschritt, spielerisch und leicht. Eins-zwei-drei, eins-zwei-drei – seine Arme führen eine unsichtbare Partnerin, eine tänzerische Parodie auf mein Ringen mit der Last.

»Wie immer? Immer derselbe Tanz, den wir beide aufführen? Schwere als Tugend, Last als Würde?« Sein Ton wird schärfer, seine Schritte schneller. »Bist du noch immer die Heldin deiner Geschichte? Oder längst ihre Gefangene?«

Sein Blick gleitet suchend zum Himmel, als stünden dort die Antworten auf seine spöttischen Fragen geschrieben. »Klar, ich verstehe nichts von Tiefe. Nichts von Gewicht, nichts von deinem edlen Kampf. Sag mir, Wanderer, was hast du gewonnen? Außer einem schmerzenden Rücken und einer müden Seele?«

Dann stoppt er abrupt, sein Kopf neigt sich gen Boden. Seine Augen bleiben auf mich gerichtet, unerbittlich und durchdringend.

Er lässt die Arme fallen, sein Ton wird schneidend. »Du nennst es Würde, du nennst es Bedeutung. Ich nenne es schlicht Selbstgeißelung – im Namen der Eitelkeit.« Sein Lächeln schneidet durch die Luft, durch meine Adern. Durch mein Herz.

Und jetzt wieder seine Theatralik. »Leben? Gefühle?« Die Stimme seiner Freiheit klettert empört, überschlägt sich beinahe vor künstlicher Entrüstung. Er hebt die Arme, als wolle er ein unsichtbares Publikum ansprechen. »Du sprichst davon, als würde dir diese Schwere Flügel verleihen, während sie dich doch nur tiefer in den Boden drückt.«

Ah ja, nun bin ich doch auch noch eitel, meint das Ekelpaket, der Flügelräuber. »Da hast du es wieder, du Spöttgesicht. Das hatten wir schon. Du hörst dich an wie eine verkratzte Schallplatte, die auf der Spur hängen geblieben ist. Krrrr, Krrrr …« Das Geräusch allein – wie eine Kralle, die über meine Synapsen kratzt. Mein Kopf spannt sich, mein Atem stockt. Doch ich lasse nicht locker. »Eitel bist du, mein Freund. Mit deinem Zynismus, deinem Spott und deiner Weigerung, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind.«

Da träumt er, fabelt ständig von unserem Tanz. »Leichtigkeit? Oh, diese Oberflächlichkeit existiert nur in deinem leeren Raum, befreit von jeglicher Last. Warum? Weil du zu feige bist, überhaupt etwas anzufangen, etwas zu tragen, etwas zu bewahren«, schieße ich zurück.

Meine Worte prallen gegen ihn, aber sein Grinsen bleibt. Dieses Grinsen – eine ständige Herausforderung. »Trotz der erdrückenden Last bleibe ich in Bewegung, denn meine Existenz ist von fortwährender Bewegung und Anpassung geprägt. Die Reise ist unausweichlich.«

Tag ein, Tag aus, zum Überleben – das ist doch mein einziges Ziel, sage ich mir, während ich weitergehe. »Ja, die Last liegt schwer auf meinen Schultern. Doch jeder Schritt ist eine Entscheidung, eine Art, sich der Last zu stellen – nicht, um sie abzulegen, sondern um sie im Fluss meines Seins weiterzutragen.«

Meine Worte hallen in mir wider, als suchte ich darin Bestätigung. »Meine Erinnerungen, die ich trage, und meine Sorgen, die ich nicht ablegen kann, sind nicht nur Bürden. Sie sind auch Geschenke des Lebens.«

»Geschenke?«, schreit er plötzlich, als hätte ihn die Angst gepackt. Doch die Dramatik in seiner Stimme wirkt übertrieben, geschickt inszeniert.

»Seltsame Geschenke, die dich so oft verzweifeln lassen. Zugegeben, es hat etwas Poetisches, wie du dich daran klammerst, als wärst du der einzige Mensch auf dieser Welt, der je Leid erfahren hat.«

Er breitet die Arme aus, ein Schauspieler, der auf die Bühne tritt. »Schau mich doch an«, sagt er mit einem Anflug falscher Bescheidenheit, der mir die Luft zum Atmen nimmt. »Ich bin nur ein Teil von dir – das Echo deiner Zweifel, das Flüstern, das dich in den stillsten Momenten überfällt. Ah, das Leben als Heldensaga!«

Sein höhnisches Lachen durchbricht meine Gedanken, breitet sich aus wie ein Schatten, der keinen Raum unberührt lässt. »Du und deine romantischen Kämpfe, so dramatisch, so … tragisch. Sag mir, wann war das letzte Mal, dass du einfach losgelassen hast? Oder hast du Angst, ohne deine Last unwichtig zu sein?«

Er pustet die letzten Worte aus, als würde er sie mit leerer Luft füllen, und lässt sie im Raum nachhallen – lang und bedrohlich. Doch in seiner Geste, in seiner Haltung – wie er unbeholfen an seiner unsichtbaren Rüstung herumfummelt – wirkt er wie ein tollpatschiger Ritter, der nicht mal selbst weiß, was er da tut.“

»Es geht nicht ums Loslassen, du Spottgeflüster! Unwichtigkeit existiert nur in deinem Vakuum«, werfe ich ihm entgegen, »du Hohlkopfignorant.« Meine Stimme hebt sich, fest und entschlossen. »Es geht darum, die Dinge anzunehmen, wie sie sind. Dieses Bündel auf meinem Rücken ist kein Hindernis. Es ist meine Geschichte, mein Weg. Da hast du recht: Ohne sie wäre ich … leer.«

Meine Bewegungen sind langsam, fast mühsam, unter der Last des prall gefüllten Sacks. Was meint er? »Loslassen?« Wie witzig! »Meine gebrauchten Hände umklammern ihn mit all meiner Kraft. Mit jedem Atemzug droht er mir durch meine verkrampften Finger zu rutschen, sich von mir zu lösen. Aber ich halte ihn fest.«

Hauruck! Mit jener ruckartigen Bewegung rücke ich den Sack zurecht. Wieder ein Reflex. Er schmiegt sich an meinen Rücken, schwer, aber vertraut – wie eine zweite Haut. Es ist doch meins, egal, wie schwer.

»Mit jedem Schritt wird er schwerer, doch sein Inhalt wird hoffentlich reichen, um mich über diesen Tag zu bringen.« Ein Gedanke, den auch er begreifen müsste – diese edelekle Tanzfigur. »In deinem Leben mag das von geringem Wert sein, in meinem ist das Bündel alles, was mir bleibt. Meine Würde, die so nah um Überleben ringt. Es trägt mich auf meiner Reise und nicht ich es.«

»Ach, Göttchen, du Seele aus Beton und Blei«, sagt er und verdreht theatralisch die Augen, als müsse er all die Schwere selbst tragen. »Deine Würde beraubt mir gleich manche Tränen, die ich nur für dich bewahrt habe – für eben diesen Augenblick.«

Er hebt die Hände, als wolle er das nächste Drama ankündigen. »In der Apokalypse deiner Romantik bin ich immer wieder erstaunt, wie du deinen Fels hochrollen willst. Applaus wirst du erst da oben ernten, das weißt du. Das hast du dir verdient.«

Pathetisch wie immer. Melodramatik pur. Seine Worte tropfen wie schwerer Regen, übertrieben und süßlich – fast so, als glaubte er selbst daran.

»Kein Fels, kein Fluch, du Zweifelknecht«, schieße ich zurück, ohne zu zögern. Meine Stimme ist fest, ein Anker inmitten seines melodramatischen Sturms. »Es ist meine freie Wahl, von der du jedes Mal versuchst, mich abzuhalten. Egal, was du sagst. Ich ziehe weiter. Nicht für deinen Applaus, sondern weil es richtig ist.«

»Oh, wie rührend. Ein selbstgewähltes Martyrium!« Seine Zeigefinger berühren sich, formen ein spitzes Dach, das gen Himmel weist, als wolle er die Wolke der Unschuld herbeirufen. »Gibt es auch Bonuspunkte für dein freiwilliges Leiden, oder machst du das rein aus Prinzip?«

Seine Arme beschreiben weite Kreise, als wolle er eine unsichtbare Sonne zeichnen, die ihr Lichtstrahlen direkt auf mich richtet. »Dann mach es doch gleich glamouröser. Stell dir vor, wie beeindruckend du aussiehst, wenn du gebeugt durchs Leben stapfst. Ein Symbol des Leidens, mit dem ganzen Elend der Menschheit auf deinem Rücken.«

Er tritt einen Schritt näher, neigt den Kopf, seine Stimme wird weicher, fast einladend. »Es stimmt, ich bin mehr als nur ein Teil von dir. Ich bin die Stimme der Vernunft, die du so gerne ignorierst.«

»Hör schon auf, du Nichtsnutz. Ja, du bist ein Teil von mir. Und jedes Mal, wenn ich glaube, dich überwunden zu haben, tauchst du wieder auf …«

»Und doch bist du es, die mich herbeiruft, du Elendhexe«, unterbricht er mich, seine Stimme schneidet wie ein Messer durch meinen Gedankenfluss. »Jedes Mal, wenn deine Schritte langsamer werden, wenn du innehältst. Vielleicht bin ich zu feige. Vielleicht trage ich nichts von Wert. Aber ich weiß, wie es sich anfühlt, loszulassen. Du solltest es auch einmal versuchen.«

Ich versuche, ihm nicht zuzuhören, mich an meinen eigenen Gedanken festzuklammern: »… mit einem anderen Gesicht, einer anderen Stimme, aber immer mit derselben Wahrheit – mit ihrer Klarheit und Schattenseite.«

Doch seine Worte klingen nach, dringen in meine Überlegungen ein. »Versuchen? Brauche ich dich?« Die Option habe ich nicht. »Oh, ja. Vielleicht brauchst du mich genauso sehr, wie ich dich brauche – eine Wechselwirkung zweier Pole, ein Motor der einen und derselben Sache. Eine wechselseitige Kausalität.«

Mein Blick bleibt auf den Weg vor mir gerichtet, aber meine Worte fließen direkt in seine Richtung. »Ich bin der Sinn deines Daseins, deine Existenz allein, ist mich zu zwingen, immer wieder vor der Wahl zu stellen: zwischen meiner Last und deiner Leere. Ein Tanz, den wir immer wieder neu aufführen, weil ohne ihn … nichts von Wert ist. Nicht du, nicht ich.

Nein, Spottgeflüster. Für mich geht es weiter. Der Bündel auf meinem Rücken ist nicht nur eine Last. Es ist Teil meiner Reise, mein Gleichgewicht.«

»Brauchst du mich nicht?«, spottet er wieder, seine Stimme wie ein Hohn, der durch die Stille schneidet. »Wer sonst soll dir die Komödie aufführen, in der du dich in deiner eigenen Tragik suhlst?« Er lacht kurz, dreht sich halb um und deutet mit einer Geste nach vorn. »Und jetzt vorwärts. Los, weiter! Dein Bündel trägt sich von alleine nicht.«

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Ich und mein Beutel